PUBLIKATIONEN

Aktienrechtsrevision

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 2. Februar 2022 entschieden, im Rahmen der Aktienrechtsrevision vom Parlament beschlossene Änderungen per 1. Januar 2023 in Kraft zu setzen. Nachstehend werden ausgewählte Änderungen dieses umfangreichen Revisionspakets dargestellt, die auch unter steuerlichem Blickwinkel relevant sind.

1.  Zwischendividenden

Per 1. Januar 2023 können gestützt auf einen Zwischenabschluss auch Zwischendividenden, d.h. Ausschüttungen aus dem laufenden Gewinn, ausgerichtet werden (Art. 675a nOR). Auf die Prüfung des Zwischenabschlusses kann verzichtet werden, wenn sämtliche Aktionäre der Ausrichtung der Zwischendividende zustimmen und die Forderungen der Gläubiger dadurch nicht gefährdet werden.

Die geschaffene Flexibilität kann u.U. für Steueroptimierungen genutzt werden. Im konkreten Einzelfall lässt sich dadurch die steueroptimale Finanzierungsstruktur vielleicht bereits in der laufenden Steuerperiode durch eine Zwischendividende herstellen. Zu denken ist auch an den Progressionseffekt bei der Einkommenssteuer im Zusammenhang mit Dividendenausschüttungen: Durch Aufteilung der Gesamtausschüttung in eine Zwischendividende im laufenden Jahr und eine ordentliche Dividende im Folgejahr kann der Progressionseffekt womöglich gebrochen werden. Interimsdividenden können allerdings auch zu zusätzlichen steuerlichen Risiken führen (z.B. im Zusammenhang mit verdecktem Eigenkapital oder bei Verletzung von Deklarationspflichten bzw. -fristen). Interimsdividenden bedürfen somit einer sorgfältigen Planung.

2.  Verlustverrechnung

Im Bereich der aktienrechtlichen Bestimmungen zu den Reserven erfolgt eine Anpassung an das neue Rechnungslegungsrecht. Das neue Aktienrecht (Art. 671 ff. nOR) sieht ebenfalls eine Unterteilung der Reserven in eine gesetzliche Kapitalreserve, eine gesetzliche Gewinnreserve und in eine freiwillige Gewinnreserve vor. Verluste müssen neu zwingend in folgender Reihenfolge verrechnet werden (674 OR):

1.  Verrechnung mit dem Gewinnvortrag
2.  Verrechnung mit freiwilligen Gewinnreserven
3.  Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve
4.  Verrechnung mit der gesetzlichen Kapitalreserve

 

Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder mit der gesetzlichen Kapitalreserve können verbleibende Jahresverluste teilweise oder ganz auf neue Rechnung vorgetragen werden (Art. 674 Abs. 2 nOR).

Es besteht also auch fortan keine Pflicht zur Verrechnung der gesetzlichen Kapitalreserve. Dies ist aus steuerlicher Sicht mit Blick auf die Reserven aus Kapitaleinlagen wichtig: Reserven aus Kapitaleinlagen können verrechnungssteuerfrei ausgeschüttet (Art. 5 Abs. 1bis VStG) und bei Beteiligungen im Privatvermögen einkommenssteuerfrei vereinnahmt werden (Art. 20 Abs. 3 DBG). Üblicherweise werden diese unter der gesetzlichen Kapitalreserve ausgewiesen. Die steuerfrei ausschüttungsfähige Substanz geht jedoch verloren, wenn sie handelsbilanziell mit Verlusten verrechnet wird. Regelmässig dürfte es deshalb sinnvoll sein, bestehende Verluste nicht mit den Reserven aus Kapitaleinlagen zu verrechnen, sondern diese insoweit auf neue Rechnung vorzutragen.

3.  Kapitalband

3.1.  Überblick

Mit der Aktienrechtsrevision wird das Institut des Kapitalbandes eingeführt. Die Generalversammlung kann den Verwaltungsrat ermächtigen, innerhalb einer Zeitspanne von längstens fünf Jahren das Aktienkapital innerhalb einer Bandbreite um bis zu 50% zu erhöhen oder zu vermindern (Art. 653s OR). Es handelt sich beim Kapitalband somit gewissermassen um eine Kombination aus genehmigter Kapitalerhöhung und genehmigter Kapitalherabsetzung.

3.2.  Kapitalband im Kontext der Emissionsabgabe

Am 13. Februar 2022 hat sich das Stimmvolk gegen die Abschaffung der Emissionsabgabe ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund gilt es folgende Neuerung zu beachten: Die Abgabeforderung entsteht in zeitlicher Hinsicht erst am Ende des Kapitalbandes (Art. 7 Abs. 1 lit. f nStG). Zudem unterliegen Kapitaleinlagen im Rahmen eines Kapitalbands nur soweit der Emissionsabgabe, wie sie die Rückzahlungen im Rahmen dieses Kapitalbandes übersteigen (Nettobetrachtung; Art. 9 Abs. 3 nStG).

Da die Emission bei Kapitalerhöhungen ausserhalb eines Kapitalbandes bei jeder Kapitalerhöhung, ungeachtet allfälliger Kapitalherabsetzungen, erhoben wird, kann diese Änderung im Einzelfall zu steuerlichen Vorteilen führen.

3.3.  Kapitalband im Kontext der Einkommens- und Verrechnungssteuern

Eine Kapitalherabsetzung kann Einkommens- und Verrechnungssteuerfolgen auslösen (sog. Teilliquidation). Dies gilt künftig auch bei einer Kapitalherabsetzung im Rahmen eines Kapitalbandes und zwar nicht erst bei Ende des Kapitalbandes, sondern bereits im Zeitpunkt des Rückkaufs der eigenen Beteiligungsrechte zwecks Kapitalherabsetzung (Art. 4a Abs. 1 VStG).

Wird im Rahmen eines Kapitalbandes das Aktienkapital hingegen mit einem Agio erhöht, stellt sich die Frage, ob dieses Agio als steuerfrei rückführbare Reserve aus Kapitaleinlagen gilt. Gemäss Art. 5 Abs. 1ter nVStG bzw. Art. 20 Abs. 4 nDBG ist dies nur soweit der Fall, als die Zuflüsse die Rückzahlungen von Reserven im Rahmen dieses Kapitalbandes übersteigen. Es gilt also auch bei der Verrechnungs- und Einkommenssteuer die Nettobetrachtung. Damit soll verhindert werden, dass Publikumsgesellschaften unter Einsatz der zweiten Handelslinie und des Kapitalbandes Steuervorteile generieren können.

Insbesondere bei privat gehaltenen Gesellschaften kann diese Nettobetrachtung hingegen – je nach Interpretation dieser neuen Bestimmungen – zu nachteiligen Konsequenzen führen. Dies dann, wenn innerhalb des Kapitalbandes sowohl eine Kapitalerhöhung mit Agio erfolgt wie auch eine Kapitalherabsetzung durchgeführt wird, welche zu Verrechnungs- und Einkommenssteuern führt. Mit anderen Worten besteht diesfalls die Gefahr, dass im Zuge der Kapitalerhöhung keine einkommens- und verrechnungssteuerfrei rückführbaren Reserven aus Kapitaleinlagereserven gebildet werden dürfen, währendem eine analoge Kapitalerhöhung ausserhalb eines Kapitalbandes zur Schaffung von Kapitaleinlagereserven geführt hätte.

4.  Aktien- oder Stammkapital in Fremdwährung

Bereits unter geltendem Recht dürfen Buchführung und Rechnungslegung in der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen Fremdwährung erfolgen (Art. 957a Abs. 4 und 958d Abs. 3 OR). Das Aktien- oder Stammkapital musste jedoch in Schweizer Franken geführt werden. Neu darf auch das Aktien- oder Stammkapital auf eine für die Geschäftstätigkeit wesentliche Währung lauten. Der Bundesrat legt die zulässigen Währungen fest (Art. 621 Abs. 2 nOR; Art. 773 Abs. 2 nOR).

Dadurch entschärfen sich einige Probleme im Zusammenhang mit der Behandlung von Umrechnungsdifferenzen. Lauten alle kapitalbezogenen Aspekte wie die Schaffung des Aktien- oder Stammkapitals, die Dividendenausschüttung, die Reservenbildung oder Beurteilung einer Überschuldung auf eine fremde Währung wäre es folgerichtig, wenn sämtliche steuerlich relevanten Grössen im Zusammenhang mit der Ermittlung des steuerbaren Kapitals bzw. des steuerbaren Gewinns ebenfalls in dieser Währung festgehalten würden. Während dies für die Gewinn- und Kapitalsteuer auch unter künftigem Recht nicht der Fall sein wird (gemäss Art. 80 Abs. 1bis nDBG bzw. Art. 31 Abs. 3bis nStHG muss der Reingewinn zum Jahresdurchschnittskurs und gemäss Art. 31 Abs. 5 nStHG das Eigenkapital zum Jahresendkurs in Schweizer Franken umgerechnet werden), können bei Rechnungslegung in Fremdwährung gemäss inoffiziellen Verlautbarungen künftig immerhin die Veränderungen bei den Reserven aus Kapitaleinlagen bei der ESTV in Fremdwährung gemeldet werden.