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Neue Umsatzabgaberisiken bei M&A Transaktionen

Während in der Vergangenheit immer wieder die Abschaffung der Umsatzabgabe diskutiert und damit eine abgaberechtliche Entlastung gefordert wurde, führen zwei Gerichtsurteile im Jahr 2021 die Praxis in die entgegengesetzte Richtung. Nachdem das Bundesgericht zu Beginn des Jahres mit einer neuen Auslegung den Vermittlungsbegriff scheinbar ausgedehnt hat, überrascht nun das Bundesverwaltungsgericht in einem aktuellen Entscheid mit einer weiten Auslegung des Vermittlerbegriffs. Beraterinnen und Berater in M&A-Transaktionen sehen sich mit dem Risiko konfrontiert neu als umsatzabgabepflichtige Effektenhändler qualifiziert zu werden.

Fabian Duss, Marco Buchmann, Dezember 2021

1.      Hintergrund

Damit eine entgeltliche Transaktion mit steuerbaren Urkunden wie Obligationen, Aktien oder Anteilen an Kollektiven Kapitalanlagen der Umsatzabgabe unterliegt, muss ein Effektenhändler entweder Vertragspartei sein oder als Vermittler auftreten.¹

Gleichzeitig kann eine gewerbsmässige Vermittlertätigkeit die Qualifikation als Effektenhändler nach sich ziehen. Der Effektenhändler wird diesbezüglich im Bundesgesetz über die Stempelabgaben folgendermassen definiert:²

Effektenhändler sind […] die nicht unter Buchstabe a fallenden inländischen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften, inländischen Anstalten und Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen, deren Tätigkeit ausschliesslich oder zu einem wesentlichen Teil darin besteht, […] als Anlageberater oder Vermögensverwalter Kauf und Verkauf von steuerbaren Urkunden zu vermitteln (Vermittler).“

Die beiden erwähnten Urteile hatten dabei zwei unterschiedliche Fragestellungen zu beurteilen. Das Bundesgericht beurteilte, wann eine Konzerngesellschaft, die sich unbestrittenermassen als Effektenhändlerin qualifiziert, in einer Transaktion vermittelt. Das Bundesverwaltungsgericht hingegen musste prüfen, ob die Tätigkeit einer unabhängigen M&A-Beraterin als Vermittlertätigkeit im Sinne des Stempelabgabenrechts gilt und sich dieser in der Folge als Effektenhändlerin qualifiziert.

2.    Effektenhändler als Vermittler (BGer 2C_638/2020 vom 25. Februar 2021)

Strittig war, ob ein Effektenhändler als Vermittler bei einer Transaktion einer Konzerngesellschaft aufgetreten ist. Das Bundesgericht stellte im erwähnten Entscheid fest, dass für die Auslegung des Vermittlerbegriffs im Stempelabgabenrecht eine dem Zivilrecht entlehnte und nicht eine wirtschaftliche Betrachtung heranzuziehen sei. Die Auslegung habe deshalb in Anlehnung an das Mäklervertragsrecht zu erfolgen.

Gemäss Bundesgericht qualifiziert sich ein Effektenhändler entsprechend immer dann als Vermittler im Sinne des Stempelabgaberechts, wenn er im Rahmen einer Transaktion in einer der nachfolgenden Funktionen auftritt:

  • als Nachweismäkler, der als erste Person die Gelegenheit zum Kauf der Aktien an der Zielgesellschaft nachgewiesen hat;
  • als Vermittlungsmäkler, der im Rahmen der Verkaufsverhandlungen in einer Art und Weise auf die Willensbildung der Vertragsparteien eingewirkt hat, welche für den Verkaufs- bzw. Kaufentschluss mitbestimmend war

 

Die wirtschaftlichen Interessen des involvierten Effektenhändlers an der Transaktion sowie die rechtlichen Beziehungen zu den Vertragsparteien seien dabei irrelevant.

3.    Vermittler als Effektenhändler (BVGer A-5038/2020 vom 23. November 2021)

Strittig war, ob sich eine Gesellschaft, die als M&A-Beraterin tätig ist, als Vermittlerin im Sinne des Stempelabgaberechts qualifiziert. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Effektenhändlereigenschaft dann erfüllt, wenn ein Vermittler als Anlageberater oder Vermögensverwalter den Kauf und Verkauf von steuerbaren Urkunden vermittelt. Dies muss gleichzeitig einen wesentlichen Teil seiner Geschäftstätigkeit ausmachen.

Der statutarische Zweck der beschwerdeführenden Gesellschaft besteht unter anderem im Anbieten bzw. Erbringen von Dienstleistungen, insbesondere bei der Vermittlung von Unternehmen. Sie schliesst mit ihren Kunden Aufträge über den Verkauf von Unternehmen und Gesellschaftsanteilen ab, welche ihr eine Entschädigung für den Initialaufwand sowie einen prozentualen Anteil am Verkaufspreis zusichern. Dabei dürfen die Kunden keine eigenen Verkaufsgespräche mit Interessenten führen.

Das Gericht stützt sich auf den oben erwähnten Bundesgerichtsentscheid und folgert, dass sich die qualifizierte Vermittlertätigkeit aus der Funktion eines Nachweis- bzw. Vermittlungsmäklers ergeben kann.

Als Indizien für die Beurteilung als qualifizierten Vermittler zieht das Gericht unter anderem nachfolgende Tätigkeiten der Beschwerdeführerin heran:

  • Suche nach geeigneten Käufern für die Gesellschaften der Kunden;
  • Vorbereitung der Verkaufsdokumentation;
  • Kontaktaufnahme mit Kaufinteressenten;
  • Organisation von Interessentengesprächen;
  • Unterstützung bei der Verhandlung der Kaufverträge

 

Das Gericht kommt zum Schluss, dass sich aus diesen Indizien eine Tätigkeit als Vermittlungsmäkler ableiten lässt, da die Beschwerdeführerin kausal auf den Vertragsabschluss einwirkt.

Vorliegend sei aufgrund der erfolgsbasierten Entschädigung der erfolgreiche Abschluss von Unternehmensverkäufen eine zentrale Tätigkeit der Beschwerdeführerin. Zudem seien ein Grossteil der abgeschlossenen Verkäufe Share Deals, weshalb von einer wesentlichen Tätigkeit ausgegangen werden könne. Das Gericht legt auch den Begriff des Anlageberaters sehr weit aus und kommt letztlich zum Schluss, jeder sei Anlageberater, der zu Geschäften mit steuerbaren Urkunden berät.

4.    Fazit

Der Entscheid des Bundesgerichts wirft insbesondere Abgrenzungsfragen bei Transaktionen in Konzernen auf, sobald eine als Effektenhändlerin qualifizierte Schweizer Gruppengesellschaft involviert ist. Dies kann insbesondere eine Holdinggesellschaft, aber auch eine separate Konzernleitungs- oder sonstige konzerninterne Beratungsgesellschaft sein.

Da der Entscheid des BVGer noch nicht rechtskräftig ist und allenfalls an das Bundesgericht weitergezogen wird, sollten keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. Allerdings führt die Argumentation des BVGer zu grosser Unsicherheit in der Praxis, gerade bei M&A-Beraterinnen und -Beratern und Private Equity Boutiquen, aber auch bei Anwältinnen und Anwälten sowie anderen Beraterinnen und Beratern im Bereich von Unternehmenstransaktionen. Sie alle könnten sich gemäss Ausführungen des BVGer als stempelabgaberechtliche Effektenhändler qualifizieren, da sie bei Geschäften mit steuerbaren Urkunden beraten. Aufgrund der weiten Auslegung des Vermittlerbegriffs könnten sich bei diesen Akteuren unerwartete Umsatzabgabeforderungen ergeben.

 

¹  Art. 13 Abs. 1 und 2 StG

² Art. 13 Abs. 3 lit. b Ziff. 2 StG