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Praxisänderung beim Rückkauf eigener Aktien

Unter heutigem Rechnungslegungsrecht wird beim Rückkauf eigener Aktien in der Bilanz kein Vermögenswert mehr aktiviert. Mit seinem Leitentscheid vom 14. November 2019 hat das Bundesgericht signalisiert, dass auch im Steuerrecht ein umfassender Systemwechsel angezeigt ist.

Fabian Duss, Mai 2020

1.            Bisherige Praxis

Unter früherem Recht wurden eigene Aktien beim Rückkauf durch die Gesellschaft in der Handelsbilanz aktiviert und im gleichen Umfang aus frei verwendbarem Eigenkapital eine gesonderte Reserve ausgewiesen. Durch die Aktivierung in der Handelsbilanz kam für Gewinnsteuerzwecke das Massgeblichkeitsprinzip ins Spiel, wobei dieses allerdings aufgrund der Systematik bei der Verrechnungssteuer im Falle einer steuerlichen Abrechnung u.U. durchbrochen wurde.

Wenn der Rückkauf als Folge des Überschreitens der maximalen Haltedauer oder Erwerbsobergrenzen zu einer Abrechnung bei der Verrechnungssteuer führte, waren die eigenen Aktien bei der erwerbenden Gesellschaft ungeachtet ihrer Aktivierung in der Handelsbilanz in der Steuererklärung auszubuchen. Handelsrechtlich ausgewiesene Bewertungsschwankungen auf diesen steuerlich nicht mehr existenten bzw. sog. «amortisierten» eigenen Aktien waren deshalb auch gewinnsteuerlich irrelevant. Wurden verrechnungssteuerlich amortisierte eigene Aktien zu einem Preis über dem Nennwert wieder veräussert, lag eine steuerneutrale Kapitaleinlage vor.

Führte der Rückkauf hingegen nicht zu einer Abrechnung bei der Verrechnungssteuer, waren die eigenen Aktien nach dem Rückkauf periodisch zu bewerten, und die erfolgswirksam verbuchten Bewertungsschwankungen waren aufgrund des Massgeblichkeitsprinzips gewinnsteuerlich relevant. Auch Gewinne oder Verluste aus der Veräusserung der eigenen Aktien führten zu einer Veränderung des steuerbaren Gewinns. Aufgrund der Aktivierung und Bildung einer gesonderten Reserve erfolgte auch keine Reduktion des steuerbaren Eigenkapitals.

2.            Neue Praxis

2.1.        Rechnungslegungsrecht

Unter heutigem Rechnungslegungsrecht werden eigene Aktien nicht mehr aktiviert. Stattdessen wird das Eigenkapital im Umfang der Anschaffungskosten reduziert, wobei ein gesonderter Minusposten auszuweisen ist (Art. 959a Abs. 2 Ziff. 3 lit. e OR). Im Anschluss an die erstmalige Erfassung des Minuspostens zum Anschaffungswert erfolgt in der Handelsbilanz gemäss Revisionspraxis auch keine Folgebewertung mehr. Es besteht demnach unter revidiertem Rechnungslegungsrecht keine Grundlage mehr, um Wertschwankungen von eigenen Kapitalanteilen in der Handelsbilanz während der Haltedauer Rechnung zu tragen.

Werden die erworbenen eigenen Kapitalanteile nicht vernichtet, sondern wieder veräussert, ist der Minusposten im Eigenkapital aufzulösen. Gemäss Revisionspraxis sind die Differenzen zwischen Veräusserungserlös und Anschaffungskosten grundsätzlich erfolgsneutral im Eigenkapital zu erfassen, wobei auch die erfolgswirksame Behandlung von Mehr- oder Minderwerten im Sinne eines Wahlrechts für zulässig erachtet wird.

 

2.2.        Steuerrecht

Steuerliche Implikationen des geänderten Ausweises eigener Aktien in der Handelsbilanz ergeben sich zunächst im Bereich des steuerbaren Eigenkapitals. Mit Urteil vom 14. November 2019 entschied das Bundesgericht, dass die Minusreserve das steuerbare Kapital reduziert. Steuerliche Korrekturnormen, die ein Abweichen von den handelsrechtlichen Bilanzansätzen rechtfertigen würden, bestehen gemäss Bundesgericht nicht.

Der Paradigmenwechsel gilt aufgrund der Scharnierwirkung des Massgeblichkeitsprinzips wohl auch für das Gewinnsteuerrecht, wobei diese Frage nicht Gegenstand des erwähnten Leitentscheids des Bundesgerichts war. Wertschwankungen von eigenen Aktien müssten während der Haltedauer gewinnsteuerneutral bleiben, da auch hier keine hinreichenden steuerlichen Korrekturnormen bestehen. Gleiches gilt bei der Wiederveräusserung. Bei erfolgsneutraler Verbuchung von Veräusserungserlösen müssten die Wertschwankungen aufgrund des Massgeblichkeitsprinzips und mangels einschlägiger Korrekturnormen auch gewinnsteuerlich unbeachtlich sein. Bei erfolgswirksamer Verbuchung von Gewinnen und Verlusten aus der Veräusserung wären diese hingegen gewinnsteuerlich relevant, es sei denn, die eigenen Aktien sind steuerlich bereits amortisiert.

Sowohl die Schweizerische Steuerkonferenz (SSK) als auch die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) möchten jedoch an der bisherigen Praxis festhalten und sowohl laufende Bewertungsschwankungen während der Haltedauer als auch Gewinne und Verluste aus der Veräusserung von eigenen Kapitalanteilen unabhängig von der Verbuchung in der Handelsbilanz steuerlich erfolgswirksam behandeln. Das erwähnte Bundesgerichtsurteil bietet jedoch Anlass, die in Publikationen der SSK und ESTV zum Ausdruck kommende steuerliche Praxis in Bezug auf die Gewinnsteuer kritisch zu hinterfragen. Nötigenfalls ist die überholte Praxis auf dem Verfahrensweg zu korrigieren.