PUBLIKATIONEN

Verkauf eigener Aktien aus MWST-Sicht – Entscheid des Bundesgerichts vom 5. Oktober 2021

Das Bundesgericht folgt in seinem Urteil der Betrachtungsweise von Rechnungslegungsrecht, Verrechnungssteuer und Kapitalsteuer. Demnach ist der Verkauf eigener Aktien als Einlagetatbestand und nicht als von der MWST ausgenommener Verkauf von Wertschriften zu beurteilen.

Britta Rehfisch, Januar 2022

Worum geht es?

Das Gericht hatte die Frage zu klären, ob die Veräusserung eigener Aktien eine Leistung im mehrwertsteuerlichen Sinn darstellt oder eine Einlage in ein Unternehmen. Die Beurteilung als Leistung würde dazu führen, dass der Veräusserungserlös einen nach Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG von der MWST ausgenommenen Umsatz darstellt (Umsatz mit Wertpapieren). Damit wären die Vorsteuern auf Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Verkauf eigener Aktien stehen, nicht abzugsfähig. Im Streitfall waren dies mehr als TCHF 400.

Ist hingegen die Veräusserung eigener Aktien als Einlage zu beurteilen, handelt es sich um ein so genanntes Nicht-Entgelt (Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG), das weder zu MWST-Folgen noch zu einer Vorsteuerkorrektur führt.

Welche Kriterien berücksichtigt das Bundesgericht bei seinem Entscheid?

Das Bundesgericht stellte einmal mehr die wirtschaftliche Betrachtungsweise in den Vordergrund. Im Sinne der Einheit der Rechtsordnung und mit Blick auf die Rechtsprechung des EUGH wendet das Gericht folgende Kriterien an:

  • Grundsätzlich kann zwar die Übertragung von Aktien als Übertragung von immateriellen Werten und Rechten gegen Entgelt eine (Dienst-)Leistung im MWST-lichen Sinn darstellen. Klar ist aber auch, dass es sich beim Zufluss von Mitteln im Rahmen der Ausgabe von Aktien (Emissionserlös) um Kapitaleinlagen handelt.
  • Der Rückkauf eigener Aktien wird finanz- und betriebswirtschaftlich nicht als Erwerb eines Aktivums, sondern als Kapitalentnahme verstanden. Somit werden eigene Aktien auch nicht mehr als Aktiven bilanziert, sondern lediglich als negativer Eigenkapitalposten abgebildet. Der Verkauf wird spiegelbildlich als Kapitaleinlage des Erwerbers beurteilt: Der negative Eigenkapitalposten ist gegen den Veräusserungserlös aus dem Verkauf auszubuchen. Eine allfällige Differenz ist nicht erfolgswirksam, sondern als Zugang oder Reduktion der Kapitalreserven zu erfassen.
  • Die Beurteilung eigener Aktien als «Nicht-Aktiven» ist auch aus Verrechnungssteuersicht anerkannt, wonach der Rückkauf eine Entreicherung der Aktiengesellschaft darstellt.
  • Für die Kapitalsteuer werden eigene Aktien ebenfalls nicht mehr zum steuerbaren Kapital hinzugerechnet.
  • Der EUGH beurteilt den Rückkauf eigener Aktien nicht als wirtschaftliche Tätigkeit, so dass er nicht in den Anwendungsbereich der MWST-Systemrichtlinie falle.

Schlussfolgerung des Bundesgerichts

Wenn eigene Aktien keinen Vermögensgegenstand darstellen, kann ein solcher auch nicht beim Verkauf eigener Aktien übertragen werden. Das Vorliegen einer Leistung im MWST-Sinn erfordert aber die Einräumung eines wirtschaftlichen Wertes gegen Entgelt. Wirtschaftlich und aus Sicht des Rechnungslegungsrechts ist der Erlös eigener Aktien – wie die Ausgabe neuer Aktien – als Kapitaleinlage zu beurteilen. Der Verkauf eigener Aktien aus derivativem Erwerb (Rückkauf) ist jenem aus originärem Erwerb (Zeichnung neuer Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung) gleichzustellen. Als Einlage (Nicht-Entgelt nach Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG) fällt der Veräusserungserlös nicht in den Anwendungsbereich der MWST und löst vor allem keine Vorsteuerkorrektur aus.

Handlungsbedarf

Das Bundesgericht stellt mit diesem Urteil eine einheitliche Behandlung des Verkaufs eigener Aktien aus Sicht des Rechnungslegungsrecht, der Verrechnungssteuer und der Kapitalsteuer sowie nun auch der MWST sicher. Aus ertragssteuerlicher Sicht sind unserer Kenntnis nach jedoch noch Rechtsmittel in einzelnen Kantonen hängig. Nehmen Sie daher dieses Urteil zum Anlass, den Verkauf eigener Aktien in den letzten Jahren sowie in Zukunft unter die Lupe zu nehmen, um die Neutralität für alle Steuerarten sicher zu stellen.